Szymanowski,
Felix Dörmann
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UNIVERSAL-EDITION
Nr. 5913
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UNIVERSAL-EDITION
Nr. 5913
LIBRARY
OF
PRINCETON UNIVERSITY
K. SZYMANOWSKI
HAGITH
UNIVERSAL-EDITION
Nr. 5913
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Ihagith
P OPER IN EINEM AUFZUG VON
f FELIX DÖRMANNpJm
j \ V ic3 1
i
r M U S I K V O N
j KAROL SZYMANOWSKI
j OP. 25
1 UNIVERSAL-EDITION A.-G.
l- WIEN Copyright 1Q20 l)y Universal-Edition LEIPZIG
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Den Bühnen und Vereinen gegenüber a!s Manuskript gedruckt. Das Aufführungs-
recht für sämtliche Bühnen des In- und Auslanaes ist ausschließlich von der
Universal-Edition A -G , Wien, I. Karlsplatz 6, zu erwerben.
Copyright 1920 by Universal-Edition, Wien-Leipzig.
Nachdruck verboten, Auftührungs-, Arrangements-, Vervielfältigungs- und Über-
setzungsrechte für alle Länder Vorbehalten {für Rußland laut dem russischen
Autorengesetz vom 20. März 1911 und der deutech-russischen Übereinkunft vom
28. Februar 1913, desgleichen für Holland nach dem hol ändischen Autorengesetz
vom 1. November 1912)
Universal-Edition A.-Q., Wien-Leipzig
Druck von Otto Maaß Söhne, Oes. m. b. H., Wien I.
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Personen.
Der alte König.
Der junge König.
Hagith.
Priester.
Arzt.
Diener (stumm).
Volk.
\
542290
!
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1
(Das Schlafgemach des Königs, ein weiter, düsterer Raum. Orien-
talisch funkelnder Prunk einer früheren Zeit. Im Hintergrund
führen Stufen auf eine Terrasse. Rechts und links vorne je ein
Türbogen. Alle Öffnungen sind mit Teppichen umhangen. Im
Mittelgrund das Lager des Königs. Am Kopfende brennen Lampen
in metallenen Becken. Auf einem schwarzen Marmorblock liegt der
Kronreif. Das Stück beginnt kurz vor Sonnenuntergang. Der alte
König liegt tief vergraben in Kissen und Decken, später setzt er sich
auf und starrt mit leeren Augen vor sich hin. Arzt beobachtet ihn
prüfend und mischt den Inhalt metallener Schalen.)
Arzt (zum Diener)
Und also sprach durch meinen Mund der Priester:
Zur Pforte des Palastes schickt er dich
Und heißt dich warten, bis die Sonne sinkt.
Um diese Zeit wird sich ein Mädchen nah’n
Und wird dir sagen: Sieh, ich bin bereit,
Zu dienen meinem königlichen Herrn.
Du aber trägst sie her in diesen Saal.
Der alte König
Der Frost ist wieder da,
Die Kälte steigt.
Hüllt mich in Decken,
Gebt mir heißen Wein —
Entzündet Feuer —
Bis die Halle glüht.
Komm’ näher —
Sprich lauter! Deine Hand!
Ist keiner da?
Hineingeworfen ^chon
Ins Grabgewölbe
Noch bei lebendigem Leib.
Ich lebe noch —
Hört, ihr da droben, hört!
Ich lebe noch!
Hört, ihr da droben, hört!
Ich lebe noch!
Arzt
Kommt zur Besinnung, Herr,
Ich bin bei Euch!
Ich — Euer Arzt
Der alte König
Was ist mit mir geschehen ?
Was habt ihr vor mit mir?
Du bist verlegen?
Zittern fühl’ ich dich !
Arzt
O Herr! O Herr!
Der alte König
Glaubst du vielleicht.
Ich bin schon sterbend
Und du brauchst
Um nichts dich mehr zu kümmern,
Weü’s zu spät?
Arzt
Ich misch’ Euch eben
Einen Lebenstrank,
Der neue Kraft
Euch leihen wird
Und milde Wärme.
Der alte König
Warum nicht früher" schon ?
Du bist bestochen.
Daß du mir nicht hilfst.
6
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Mein lieber Sohn,
Der’s nicht erwarten kann —
Bestochen hat er dich,
Daß du mich tötest sprich!
Arzt
Ihr fiebert, Herr — '
Ein ganzes Leben
Hab’ ich euch treu gedient,
Ihr tut mir weh !
(Reicht ihm den Becher.)
Der alte König
Gib her!
Was du gebraut.
(Schlürft und schleudert den Becher fort.)
Fort damit!
Brau einen heißer’n Trank,
Ich spüre nichts.
Die Menschen sollen beten
Für mein Leben!
Brandopfer will ich.
Rufe mir den hohen Priester her!
Arzt
Der hohe Priester
Wird sich heute erst
Nach Sonnenuntergang
Dem Throne nah’n.
Der alte König
Was hat er vor?
Was hindert ihn zu kommen?
Wo bleibt mein Sohn?
Arzt
Ich hab’ ihn nicht gesehn;
Seit früh des Morgens
War er nicht mehr hier.
7
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\
Der alte König
Der Priester und der Sohn?
Es fehlen beide —
Der junge Schleicher
Und der alte Fuchs?
So sag' mir,
Wo sie sind? •
Und lüge nicht —
Gesteh’ — gesteh’ —
Der hohe Priester
Salbt ihn heut’
Zum König vor dem Volk!
Du schweigst — du schweigst —
Er hat’s — gewagt?
Es ist zu früh —
Du irrst!
Ich weiche nicht!
Wie — oder meinst auch du?
Ist es so weit —
Muß ich schon geh’n?
Sprichst du mein Todesurteil?
Arzt
Nur eines gibt es noch,
Was Heil verspricht.
Nimmst du das Opfer eines Lebens an?
Der alte König
So viele Opfer,
Als du nur verlangst.
Arzt
Ein unberührtes Mädchen,
In diesem Monat erst
Herangereift —
Dein Lager wird sie teilen,
Ihre Wärme,
In deine Glieder süß hinüberströmend.
Wird dich verjüngen.
Neue Lebenskraft
Wird dich erfüllen.
8
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Der alte König^
Wann bringt ihr sie ?
Arzt
Sie aber wird verdorren und verblüh' n
Und sterben deinen Tod. .
Der alte König
Wann bringt ihr sie?
Schon der Gedanke
An das junge Blut
Entzündet neu
Die halberlosch’nen Triebe —
Und stachelt die erschlafften
Lebensgeister —
Geheimnisvoll empor.
Wann bringt ihr sie ?
Arzt
Nach Sonnenuntergang.
Der alte König
Und wenn’s zu spät!
Nach Sonnenuntergang?
Greif’ mir an’s Herz —
Kaum führ ich seinen Schlag.
O eilt euch — eilt!
Chor (hinter der Szene)
Dem jungen König
Glück, und Sieg und Heil
Gieße den Segen
In rauschenden Strömen
Auf des Gesalbten
Liebliches Haupt.
Der alte König
Ihm gilt das schon,
Dem neuen Herrn?
Der Jubel und die Lieder,
Alles ihm ?
9
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Chor (hinter der Szene)
Herrlicher Jüngling,
Der uns erschienen,
Strahlendes, süßes
Morgengestirn ...
König (mit Chor)
Und ich, vergessen.
Noch nicht einmal gestorben
Und schon tot.
Der alte König
Hör’ sie nur an.
Sie jauchzen sich zu Tod !
Treulose Brut,
Erbärmliches Gezücht.
Weh’ dir — du Knabe,
Der du schlau und schamlos
Emporgekrochen bist
Und mich verhöhnst —
Ich will dich beugen
Tief in Schmach und Staub.
Ch O r (während obiger Rede, hinter der Szene)
Dem jungen König etc. etc.
Der alte König
Das Volk ist mein.
Wenn es mich wiedersieht!
Noch fühl’ ich Kraft genug,
Es zahm zu züchten.
Noch bin ich, der ich war —
Ihr Herr und Gott.
Arzt
Oh Herr, bedenkt
Die Krankheit und das Alter,
Oh schont euch, Herr . . .
Der alte König
Ich wär’ nicht,
Der ich bin,
Wenn ich säumte.
Zurückzureißen,
Was entgleiten will. %
Der Leib muß folgen.
Wenn der Wille glüht.
Ich brauche dich nicht —
Du siehst — ich geh allein.
(Er hat sich den Stufen genähert, die rückwärts zur Terrasse
führen; der junge König von rechts e ntretend.)
Der junge König
Wie steht’s um meinen Vater?
Der alte König (sich rasch umwendend, schneidend)
Besser, Sohn!
Du kommst zu früh.
Gesalbter,
Viel zu früh —
Das treue Volk
Hat vorschnell jubelnd
Deinen Tag
Gegrüßt.
Der junge König
Des hohen Priesters Weisheit hat
Es so gewollt —
Nicht ich, nicht ich!
Es war die Angst
Um unseres Reiches Thron,
Der unbeschützt
Nicht bleiben soll,
Nicht eine Stunde nur.
Fern ist der Wunsch,
Der dir das Leben
Neidisch kürzt.
11
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ir
Der alte König
Das Gaukelspiel
Da draußen
Sagt mir alles,
Was du verbergen willst
Und doch nicht kannst. ,
Verdrängen willst du mich,
Die Pforten öffnen
Für meinen allzufrühen Tod.
Der junge König
Nein, Vater, nein —
Der alte König
Geh’ an die Grenze
Meines Reiches
Und meine Wachen
Geben dir Geleit’ —
Der junge König
Verbannung?
Der alte König
Die alte Felsenburg
Am Carmel sei
Von heut’ dein Haus.
Dort sollst du warten.
Einsam und allein.
Bis dich das Schicksal ruft
Auf meinen Thron.
Derjunge König (zu seinen Füßen)
Mein Vater,
Hör’ mich an:
Nur einmal höre.
Mit Tränen will ich
Deine Hand betauen.
Zu deinen Füßen fleh’n.
Hör’ mich an
Und glaube mir!
12
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Der alte König
So wenig wie
Des Felsens glatte Stirn
Durchlöchert wird
Von einem Sturm
Von Pfeilen,
So wenig auch mein Sinn
Von deiner Worte
Entfesseltem Geschwirr.
Du lügst, du lügst.
Nur wenn du Haß bekennst,
Kann ich dir glauben.
(Er wendet sich zur Terrasse, der Arzt folgt ihm.)
Der junge König (allein, hebt die Hände zum Gebet)
Allmächtiger!
Zu dir ruf ich empor.
Der du das Zucken meines Herzens siehst —
In deine Hände nimm
Sein starres Herz
Und wende seinen Sinn.
Ich kann nicht tragen.
Daß er mich höhnend
Tief zum Staub
Verstößt.
Schenk mir Ergebung
Und schütte Demut
Kühlend in mein Herz.
(Er geht wie geheimnisvoll gezogen auf den Kronreif zu, erlaßt
ihn, hält ihn mit bebenden Händen über seinem Haupt, leise
stöhnend; plötzlich bemerkt er Hagith und läßt den Kronreif ent-
setzt fallen)
Der junge König
\
Wie kommst du her? Wer bist du, Mädchen?
Hagith
Hagith bin ich genannt.
' Der junge König
Was willst du, Hagith?
13
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Hagith
Zu deinem König komm’, so sprach ein Bote
Und ich flog den Weg
Mehr als ich ging, begierig, dir zu dienen.
Der junge König i
Ich rief dich nicht. Wen dürfte ich schon rufen — j
Und wer gehorcht dem Ruf? j
Hagith j
Dein Vater ist es.
Du bist es wirklich nicht ? '
Der junge König (verneint traurig)
Und hat man dir gesprochen, was du bei ihm sollst?
Hagith
Es hieß.
Ich sei von Tausenden zum Heil erwählt.
Der junge König
O du bist schön wie eine blaue Nacht,
Die funkelnd schläft auf weißer Felsen Stirn —
Wenn du ein Opfer würdest greiser Lust?
Nein, nein, erschrick nicht, Kind, es wird nicht sein!
Er ist ein Sterbender, wenn er auch schäumend
Den Tod bekämpft.
Und sei nicht traurig, laß die Lippen lächeln.
Sie sind dafür bestimmt, so rot, so jung.
1
Hagith
Die Angst ist fort, doch meine Freude auch.
Wenn mich mein junger König nicht berief,
Den ich so oft gesehn ...
Der junge König
Du sahst mich? Wann?
14
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! ■;.■ -,^S- '
j-^Hagith
Wenn du hinaufgingst zum Olivenwald,
Der silbergrau sich über uns erhebt,
Kamst du an uns’rem kleinen Haus vorüber
Fast jeden Tag.
Der junge König
Und hab’ dich nie gesehn?
Hagith
Ich aber sah dich immer, wenn du kamst
Und wartete und zählte bang die Stunden,
Bis du dann endlich in der Dämmerzeit
Vorüberkamst.
Der junge König
Und hab dich nie gesehn?
Hagith j
Dein Blick war fern.
Du sahst in dich hinein und wie ein Traum
Lag’s dunkel über dir. Ich mußte weinen.
Wenn ich dich sah, und wußte nicht warum -
Und mehr als einmal folgt ich deiner Spur!
Nur Gott und ich erfuhren dein Gebet
Und deine tiefste Qual . . .
Der junge König
Hagith, halt ein —
Hagith
Und als sie heut’ vor dem Altar dich salbten,
Da bat ich Gott in brünstigem Gebet,
Er mög’ auf meinen Scheitel jedes Elend
Und jedes Unglück senden, dir bestimmt.
Nur mög’ er deiner Seele Traum erfüllen
Und alle Schatten nehmen deinem Tag.
! Der junge König
Das wollte Hagith tun?
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Hagith
Mein junger König — du —
Der früh’sten Jugend
Verklärter Traum
lind aller Sehnsucht Beben,
Es galt nur dir,
Nur immer dir allein.
Der junge König
Oh, Hagith, du bist schön
Und süß zugleich.
In meines Lebens schwere Einsamkeit
Fällt deine Liebe
Wie das Morgenrot.
Ich bin gesalbt
Und bin verstoßen auch
Und dann kamst du —
' Und alles ist verwandelt!
Es gibt ein Herz — •
Ein Herz, das für mich schlägt —
Oh, sag* mir’s noch einmal.
Ich kann’s nicht glauben.
Hagith
Es gibt ein Herz,
Ein Herz, das für dich schlägt —
Das leidet und das liebt.
Das dir gehört
Zum letzten Atemzuge
Dir allein — nur dir.
DerjungeKönig
So laß mich enggeschmiegt
An dich es fühlen,
Das heiße Herz —
Das sich so süß ergab,
Die Krone und das Reich
Hab ich vergessen —
Ich will nur dich —
Nur dich will ich allein.
Gesegnet sei die Felsenburg am Carmel!
Sie sei der Liebe
Und dem Glück geweiht.
Du kommst mit mir —
Die Sonne und die Liebe
Gehn mit uns
Bist du bereit, o Hagith?
H agith
Wohin du willst,
Zum Leben und zum Tod —
Ich bin bereit.
Beide (wiederholen)
Es gibt ein Herz,
Ein Herz, das für dich schlägt.
Das leidet und das liebt.
Das dir gehört . . .
Zum letzten Atemzuge
Dir allein — nur dir.
(Der Vorhang hebt sich plötzlich wieder. Man hört das Tosen des
Volkes. Der alte König steht auf der Terrasse. Gestalten drängen
sich mit ihm unter den Türbogen)
Der alte König
Genug, geliebte Kinder,
Seht meine Tränen,
Dank euch, dank!
Ich weiß jetzt, was ich euch — was ihr mir seid.
(Der alte König kehrt in den Saal zurück; er entläßt die Leute,
der Teppich fällt vor die Tür; der alte König bricht in höhnisches
Gelächter aus und beginnt den Ton zu übertreiben)
Hab’ ich euch wieder, Hunde, hab’ ich euch!
Kriecht nur heran, ganz nahe, ich will euch fassen!
Und hab ich euch einmal gefaßt . . . oho . . .
(er bemerkt seinen Sohn und den Priester, der eingetreten ist.
Hagith hat sich in den Schatten geflüchtet)
Mein hoher Priester, daß du endlich kommst!
Und mit dem Neugesalbten Hand in Hand.
Ein würdiges Paar, das Alter und die Jugend,
Ringt keuchend um den Preis der Niedrigkeit.
Das Bündnis kommt zu früh — ihr seht, ich lebe.
17
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Priester
Dem Höchsten Dank, wenn er dich uns erhielt.
Nicht auf die heilige Höhe deines Thrones,
Zur Seite nur stellt’ ich den Knaben dir,
Daß er im Strahle deiner Sonne reife . . .
Der alte König (zum jungen König)
In deine Kammer geh und rüste dich.
Die Wachen sind bereit —
Erfahren will ich noch in dieser Stunde,
Daß der Gesalbte meine Stadt verließ.
Priester
Ihr sendet ihn?
Der alte König
Bin ich der König oder . . .
Priester
Wie du befiehlst . . .
^Handbewegung des alten Königs, der Junge König geht. Hagith will
mit hinausschlüpfen, der hohe Priester hält sie am Handgelenk fest)
Der alte König
Helft mir hinunter jetzt — mir will’s erscheinen.
Als krallte sich die Nacht mit Leichenfingern
In mein Gebein —
Seht nach, ob er nicht lauscht! Er soll nicht sehn.
Wenn mir die Kraft versagt.
Arzt (führt ihn zum Lager)
Hagith
Laß mich davon.
Der alte König
Wer sprach jetzt hier?
Priester
Das Mädchen ist gekommen !
18
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Hagith
Was wollt’ ihr denn von mir?
Der alte König
Sag ihr, was mich bedroht und was ihr König
Von ihr erhofft.
Priester
Ich preis dich Hagith und ich segne dich!
Du bist erwählt aus deines Landes Töchtern —
H agi th
Sein Weib? — Ich will’s nicht sein.
. Priester und Arzt
Sein Leben legen wir in deine Hand,
Du wirst es hüten, als dein höchstes Gut.
Hagith
Was soll ich tun ?
Arzt
Mit einem Mantel von lebendiger Glut
Mit Haaren, Lippen, Händen ihn umschließen,
; Hingebung jeder Atemzug —
Hagith
Erbarmen !
Arzt und Priester
Gesteinigt stirbst du, wenn du dich versagst.
H a g i t h (bricht stöhnend zusammen)
Erbarmen !
19 **
«;
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Priester
Ich geh’ und sammle meine Priester,
Sie mögen beten mit erhobnen Armen,
So lange nur ein Stern am Himmel steht.
Und Feuer sollen steigen vom Altar —
Priester und Arzt
Geheiligt sei die Nacht
Vor Gottes Angesicht!
(Er winkt — Arzt und Priester gehen)
(Pause)
Der alte König
Wo bleibst du, Mädchen? Warum zögerst du?
Die Nacht rückt weiter und die Kälte steigt.
Laß deiner Liebe warme Quellen strömen
Und spüle mir hinweg des Alters Qual —
Hörst du mich nicht? Wo bist du, Mädchen? Komm!
H a g i t h (von ferne)
Hier bin ich, Herr!
Der, alte König
So fern — so fern? Bannt dich die Furcht vielleicht?
Wirf sie von dir, mein Kind, und komm heran !
Du bist jetzt mächtiger als ich, dein König !
Ein Bettler bin ich, der Almosen heischt
Von einer Reichen, die verschenken kann
Geheimnisvoller Kraft köstliches Gut.
Hagith
Ich will Euch alles selig weih’n — _ .
Der alte König
Was also zögerst du? Ich harre deiner ...
20
Digilized by QoogW’
Hagith
Hinbreiten möcht ich stammelnd eine Bitte!
Der alte König
Es kann nichts Kleines sein in dieser Stunde,
Die einen König gab in deine Hand.
Hagith .
Kommt in' die Berge, wo die süßen Wasser
Die grünen Gärten tränken uns zur Lust —
Ihr habt so viel getan, so große Dinge,
Ihr dürft jetzt endlich ruh’n. Gib deine Krone
Dem jungen Sohn!
Der alte König
Verfluchtes Weib! —
Kommst du mir auch damit — das ist die Bitte
Mit ihm bist du im Bund — mit meinem Sohn!
Nie wird das sein, so lang ich lebe, nie!
Du bist von ihm erkauft für schnödes Gold.
Hagith
Ich hab’ ihn lieb —
Sein Glück will ich erkämpfen und auch deines.
Der alte König
Mein Glück? Willst du mich höhnen.
Scherzhaft einträufeln dein verdammtes Gift?
Vernichten willst du mich?
Hagith
Vernichten, nein ...
Die blinden Augen sollen endlich seh'n,
Was dir und allen einzig frommt.
Der späten Tage gold’nen Abendglanz
Sollst du befreit von deiner Krone Last
Mit sel’gen Sinnen träumerisch genießen.
Gönn’ deinem Sohn das Licht, das er zum Leben
[braucht —
Laß ihn zu Macht und Herrlichkeit gelangen,
In seiner Jugend Kraft und Freude,
So lang’ sein Herz noch vor Begierde klopft
Und sonnenaufwärts seine Schwingen dehnt.
Der alte König
Hab’ ich’s gekonnt, vollenden was ich träumte ?
Ich hab’ es nicht gekonnt! — Warum soll’S er?
Ich kam zu spät hinauf — er soll es auch !
Soll ich nur Schemel sein für seine Größe?
Vorläufer ich — Vollender er allein?
Ich weiche nicht! —
Mir hat der Priester dich geweiht, nicht ihm!
Es ist dein Tod, wenn du dich länger weigerst.
Hagith
Ich sterbe — wohl — doch nicht allein -
Und über uns're Leichen zieht er ein.
Der junge König in den jungen Tag.
DeralteKönig
Was drängst du dich und mich dem Tod entgegen ? *-
Lockt dich das Leben nicht? Was lockt dich denn?
Der Thron? Ich hebe dich empor!
Verlangst du Macht? Sie sollen vor dir zittern!
Nur eins verlange nicht — daß ich mich selbst
Hinunterstoßen soll.
Hagith
Konjm’ in die Berge!
Dein will ich sein zum letzten Tropfen Blut —
Nur gib dein Königswort — gelobe —
Der alte König
Nein —
Ich könnt’ mein Wort dir geben und zerbrechen,
Wenn ich gerettet bin — und könnt’ dich töten,
22
Digitized by Goc
Doch anders —
Kann ich's auch!
(Er ist, hochaufgerichtet, Hagith näher geschlichen und faßt sie
plötzlich)
Ich reiße dich an mich,
Und hole kämpfend mir mein neues Leben.
Hagith
Du zwingst mich nicht.
DeralteKönig
Ich zwang noch jedes Weib!
Hagith
Mich aber nicht!
Der alte König
Du ringst dich nicht hervor — es ist vergebens!
Hagith
Oh, hätt’ ieh Kraft und könnt’ ich dich ermorden.
Der alte König (drückt sie zu Boden)
Du bist besiegt!
O, diese Wärme und der Duft der Angst,
Der feucht und würzig deinem Leib entsteigt
Wie beizt er süß und lieblich mir das Blut.
H a g i t h *
Ich haße dich! Erbärmlich und elend bist du,
Klein und jammervoll !
Der alte König
Ich sag’ dir, schweig!
Hagith
Erschleichen und erzwingen willst du dir
Mit feiger, listiger Gewalt,
Was freiestes Geschenk der freien Seele.
Brauchst eine Magd, die sonst dein Fuß verstieße —
23
Digilized by Google
• *
Der alte König
Schweig !
H a g i t h
Der König braucht die Magd, der König hängt
An ihren Atemzügen, wehrlos, hilflos.
Die Gnadenspende ihres Leibes braucht er.
Der König ward zum Hund —
Nur weil er braucht und kann nicht töten.
Der alte König
Ich sag’ dir, schweig! Du lügst — ich brauch dich
nicht.
Hagith
So stoß’ mich doch von dir, wenn du es wagst!
Tritt mich mit den Füßen, stampfe mich zu Tode.
Siehst du, du wagst es nicht!
Herab vom Thron, denn du besudelst ihn !
Du bist nicht wert mehr deines Volkes Krone.
o
Der alte König (schleudert sie zurück)
Hinweg mit dir! Ich brauch dich nicht! ^
Und deine Jugend nicht, noch deinen Leib!
Ich brauche keinen, keinen — außer mir!
Mein ist die Kraft in alle Ewigkeit
Und mein die Herrlichkeit von Anbeginn !
Die alten Flammen lodern wieder auf,
Es rauscht und singt das Blut sein wildes Lied
Und jagt die roten Perlen durch die Adern
Mit ungestümer Lust — es ist geschehen ...
Das Leben ist erneut . . . Mein Königsvville
Hat es allein vollbracht — er zwang das Leben
In meinen Leib zurück, auch ohne dich ! —
Der Todesengel Asrael entfloh!
Ich weiche nicht zurück, ich weiche nie!
Geh du zu deinem Knaben, den du liebst.
Und sag’ ihm, daß sein Vater ihn verlacht —
Und weiter — weiter lebt!
(Er bricht zu.sammen)
(Pause)
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Hagith
/ o •
(wie aus einer Betäubung erwachend, beugt sich langsam tiefer
und tiefer, bis sie schon sein Herz berührt)
Tot!
Mein junger König du,
Jetzt kommt dein Tag!
(sie geht langsam zur Terrasse, hebt den Vorhang und ruft hinaus)
Der König ist tot!
Volk?
(zuerst unsichtbar, dann hereinströmend)
Es kann nicht sein !
In Kraft und Glanz —
Ist er vor uns erschienen
Es kann nicht sein.
Priester
Was rufst du da?
Der große König ist tot.
Hagith (ist den Eindringenden entgegengetreten)
Der große König war,
Dort ruht er aus
Von seiner Größe
Und von seinem Haß!
(weist nach rückwärts, wo die Leiche liegt)
Chor
Der Tod ist erschienen,
Der Tod ist der Herr,
Der letzte der Siege
Bleibt immer sein.
(Die Leiche wird aufs Bett gehoben)
Priester (zu Hagith)
Du hast gesündigt
Wider mein Gebot,
Dem großen König
Hast du dich versagt!
25
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Chor
Versagt — versagt —
Gesündigt und versagt?
Hagith
Du redest wahr —
Ich habe mich versagt !
Hagith
Dein heiliges Gesetz,
Ich hab’s zertreten,
Die dunkle Pforte
Riß ich jauchzend auf.
Den Todesengel rief
Mein letzter Schrei —
Priester
So weißt du auch.
Was dich erwartet Weib —
Hagith
Der Weg ist frei
F"ür meinen jungen König!
Und ich hab' ihn gebahnt
Mit meinem Blut —
Priester
So führt das Weib hinaus,
Gesteinigt stirbt sie noch
Zu dieser Stunde Frist.
Chor (repetiert)
26
Versagt — versagt
Gesündigt und versagt!
Digitized by Got^l
1
Chor
Hagith
Willkommen, Tod,
’ ’ Du findest mich bereit!
Für meines jungen Königs Glück
Ist sterben süß..
Es gibt ein Herz,.
Ein Herz, das für dich schlägt,
Das leidet und das liebt,
Das ihm gehört
Zum letzten Atemzuge
Ihm allein.
Mit Jauchzen grüß’ ich
Meine letzte Stunde
Und meines Todes
Bittersüßes Glück . . .
Ich bin bereit.
(Sie schreitet voran — alle folgen)
Chor (von weitem) ^
Gesteinigt stirbt sie noch etc., etc.
Der junge König (stürzt herein, von rechts)
Mein Vater tot —
Es ist geschehn !
O Vater! (kniet hin)
Ganz ohne Gruß
Und ohne Abschied gingst du
Und hast mein Herz verschmäht
Mit stolzem Sinn
(V'on ferne Hagiths Lied)
Es gibt ein Herz etc.
Der junge König (lauscht, erkennt cs und will abstürzen)
Hagith ! Hagith ! Wo bist du ? Hagith ! Hagith I
Ich komme zu dir —
(Der hohe Priester tritt ihm entgegen)
27 .
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Du kommst zu spat —
Ihr Urteil ist gesprochen —
Sie stirbt für dich!
•
I) e r j u n g e K ö n i g
Zu spät — zu spät —
O Hagith !
(Der junge König füllt schluchzend ein und sinkt am Sockel zu>
Summen, der die Krone trägt.
Vorhang.
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